N. Wahal · A. Alabbasi · F. Martetschläger
Deutsches Schulterzentrum in der ATOS Klinik München, München, Deutschland
Zusammenfassung
Der Wintersport hat einen langen Weg hinter sich, von den ersten Skiwettkämpfen in Norwegen im Jahr 1767 bis zu den heute rund 200 Mio. Skifahrern weltweit. Da allein in Deutschland jährlich etwa 8000 Verletzungen zu verzeichnen sind, besteht ein erhöhter Bedarf an Bewusstsein für wintersportbedingte Verletzungen und deren Behandlung. Nach dem jüngsten Bericht der Auswertungsstelle für Skiunfälle (ASU) machen allein die Schulterverletzungen mehr als 20 % aller Verletzungen aus (Männer 26,1 % und Frauen 13 %; [39]). Die häufigsten den Schultergürtel betreffenden Verletzungen sind Verletzungen der Rotatorenmanschette, Schulterluxationen, Luxationen des Akromioklavikulargelenks (ACG) sowie Schlüsselbeinfrakturen [26, 31, 36]. Diese Verletzungen sind in erster Linie das Ergebnis von 4 Unfallmechanismen: direkter Aufprall, axiale Belastung des ausgestreckten Arms, erzwungene Abduktion des Arms gegen Widerstand und externe Rotationskräfte, die sich z. B. aus einem fest aufgesetzten Skistock beim Sturz ergeben können [33]. In diesem Artikel werden die 3 häufigsten Verletzungen des Schultergürtels im Wintersport beschrieben und die wichtigsten Fragen für den Sportler geklärt.
Luxation der Schulter
Die Luxation der Schulter ist die zweithäufigste Verletzung der Schulter bei Skifahrern [32]. Sie tritt in den allermeisten Fällen in antero-inferiorer Richtung auf und resultiert aus einem Sturz auf den ausgestreckten Arm oder einer unerwarteten Krafteinwirkung auf den abduzierten und außenrotierten Arm. Letzterer Unfallmechanismus ist auch gerade bei Kontaktsportarten wie dem Eishockey keine Seltenheit. Dabei kommt es zumeist zu einem Ausreißen des Kapsel-Labrum-Komplexes (Bankart-Läsion) sowie einer Impression am Humeruskopf (Hill-Sachs-Läsion). Diese und andere mögliche Verletzungen wie “humeral avulsion of glenohumeral ligament” (HAGL), “glenoid labral articular disruption” (GLAD) oder “anterior labral periosteal sleeve avulsion” (ALPSA) rechtfertigen den Einsatz moderner Bildgebungsverfahren wie Magnetresonanztomographie (MRT) und Computertomographie.
Klinische Bewertung
Die Patienten klagen häufig über ein Gefühl der Instabilität oder sogar mehrfache spontaner Sub-/Luxationen. Deutet die Anamnese auf eine Luxation des Schultergelenks hin, folgt eine gründliche klinische Untersuchung beider Schultergelenke zum Ausschluss möglicher Begleitverletzungen der Rotatorenmanschette oder der langen Bizepssehne. Die spezielle Untersuchung auf eine anteriore Instabilität des Gelenks umfasst vor allem den “Apprehension”-Test und den ,,Relocation” Test zur Beurteilung der Luxationsangst des Patienten sowie den “Load-and-Shift” Test zur Beurteilung der glenohumeralen Translation. Zudem wird die generelle Laxität evaluiert.
Frank Martetschläger
Quelle: Orthopädie 2022 · 51:896–902
https://link.springer.com/article/10.1007/s00132-022-04322-w
Prof. Dr. F. Martetschläger
Deutsches Schulterzentrum, ATOS-Klinik München
Effnerstraße 38, 81925 München, Deutschland